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Weißer Rauschebart, Filzhut, wettergegerbte Haut. In der Hand ein Hirtenstab, der Hütehund an seiner Seite. Das Klischee ist beinahe zu perfekt, um echt zu sein. Ist es aber. Der „Hirte Emil“ ist ein echtes Original. Einer, der 60 Sommer auf der Alm hinter sich hat. Einer also, der weiß, was da oben zu tun ist, auf den Sextner Hochweiden. Und fernab vom hektischen Treiben unten im Tal. Dabei ist das romantisch verklärte Bild, das man als gelegentlicher Alm-Besucher im Kopf hat, mindestens genausoweit von der Realität entfernt, wie die weiß-lila gefleckte Kuh. Die Arbeit eines Hirten ist hart. Er trägt die Verantwortung für alle ihm anvertrauten Tiere. Das sind über 200 Kühe, Schafe und Pferde. Einige Esel sind auch dabei. Er kennt sie alle, weiß aus welchem Stall sie kommen, welche die Anführer sind, welche besonders abenteuerlustig. Der Emil sorgt dafür, dass die Tiere ordentlich sömmern, sich am sortenreichen Buffet der Almwiesen sattfressen, um dann Ende September ins Tal zu ihren Bauern zurückzukehren. Täglich zählt der gute Hirte seine Tiere durch und führt sie auf die abzuweidenden Flächen. Und das bei jeder Witterung. Auch am Sonntag. Und auch nach 18 Uhr, wenn Schreibtisch-Hüter für gewöhnlich ihren Posten verlassen. 60 Sommer auf der Alm! Auch wenn er im Laufe seiner Hüter-Karriere herumgekommen ist, ins Comelico etwa, ins Innerfeldtal oder nach Toblach – die meisten Sommer hat Emil Innerkofler auf der Klammbachalm am Karnischen Kamm in Sexten verbracht. Hier kennt er jeden schattenspendenden Baum und jeden Felsvorsprung. Hier ist er zu Hause und hilft auch gerne ab und an in der bewirteten Hütte aus. Und am Ende der Saison, wenn der legendäre Almabtrieb ansteht, steigt auch der Emil mit seinen Tieren hinab ins Tal. Fein herausgeputzt, wie die prächtigsten Sommerfrischler aus seiner Herde. Erleichtert, dass wieder alles gut gegangen ist. Und vielleicht auch ein bisschen stolz. Zurecht.